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Polemik

Wie ein Layout entsteht

oder: die Geburt der Mediengestaltung aus dem Geist der Software

»… Mit Hilfe von Layout-Software können wir auch Broschüren und andere Publikationen erstellen und unsere Auftraggeber bei der Öffentlichkeitsarbeit optimal unterstützen.«

Diesen bemerkenswerten Satz habe ich auf der Webseite eines Architekturbüros gefunden. Bemerkenswert, weil hier wieder einmal deutlich wird, was man zum Gestalten von Medien vor allem benötigt: die »Layout-Software«. Ist die vorhanden, sind die »optimalen« Resultate garantiert. Oder unvermeidlich.

Seit Bauhauszeiten haben sich Gestalter und Architekten immer weiter spezialisiert und voneinander entfernt – kein Gestalter käme heute auf die Idee, ein Haus ausschließlich aufgrund visueller oder kommunikativer Ideen zu planen oder zu bauen. Da gibt es Material- und Energieaspekte, Überlegungen zur Nachhaltigkeit oder zur Barrierefreiheit. Und vieles, vieles mehr …

Welcher Gestalter käme auf die Idee, die Architektentätigkeiten mitanzubieten: zum Flyer den Anbau dazu, zum Corporate Design gleich noch den Firmenhauptsitz? Die Außenfassade aber nicht aus Beton, sondern aus handgeschöpftem Büttenpapier – wegen der Haptik und Optik natürlich!

Sollte man nicht gleich noch kleinere chirurgische Operationen mitanbieten? Schließlich liegen die Skalpelle und Messer ja überall in den Grafikbüros herum …

So aber sieht es aus, wenn Architekten Medien gestalten: Mindestens 90% aller Texte sind in »Futura« (oder Derivaten wie der »Avantgarde«) gesetzt – Lesetexte wohlgemerkt! Der simplen Geometrie von Quadrat, Dreieck und Kreis in der Schriftgestaltung kann sich kaum einer der Damen und Herren in den Architekturbüros entziehen – ebensowenig wie dem Aspekt des »Modernen« in diesen Schriften, der sich immerhin schon seit 80 Jahren bewährt. Dazu gesellt sich ein Faible für Blocksatz und viel zu lange Zeilen, was den Eindruck bestätigt, daß hier gerne so ziemlich alles berücksichtigt wird, außer Lesbarkeit – und damit auch medienadäquate Ästhetik.

So verwundert es nicht, daß die Website, von der dieser Satz stammt, nach architektur-optischen Kriterien gestaltet ist: Nicht eine Zeile Text findet sich auf den Seiten (!), stattdessen wird alles, inkl. den Lesetexten, über (viel zu kleine) Bilder dargestellt. Hier findet weder die Suchmaschine irgendeine Information, noch sonst jemand, der nicht in der Lage ist, die Bilder zu entziffern. Keine alternativen Texte, keine Bildbeschreibungen, nichts. 

Oder anders gesagt: 10.143 Zeichen Formatierung für 0 Zeichen Inhalt.

Als Gebäude wäre so etwas ein fensterloses Haus mit Eingangstür im dritten Stock ohne Außentreppe – aber immerhin schön anzuschauender Fassade. Als Medium ist diese Website nach Einschätzung der Architekten vermutlich »optimal«, nach meinem Dafürhalten jedoch so ziemlich das Schlechteste, was man im Internet findet.

Leider findet sich die Haltung, die sich exemplarisch hier zeigt, in vielen anderen Bereichen auch: Es ist das Los vieler Gestalter, bloß noch als »Mausknechte« wahrgenommen zu werden, die eben die eine ganz bestimmte Software haben, die der (potenzielle) Auftraggeber eben nicht besitzt. Glücklicherweise sind nicht alle so: nicht alle Auftraggeber … und auch nicht alle Architekten.