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»Grundgesetzliches«

Im März 2020 flatterte eine Mail ins Postfach vom Umsonst & Draussen e.V.: Die Einladung, einen Textabschnitt des Grundgesetzes grafisch zu gestalten für eine Ausstellung im Zuge des Umsonst & Draussen-Festivals. Da ich mich nicht auf die üblichen Abschnitte beziehen wollte (Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Eigentum, …), beschäftigte ich mich mal wieder etwas länger mit dem Grundgesetz. Daraus resultierten zwei Entwürfe, die jeweils den kompletten Text des Grundgesetzes zeigen (Format jeweils 60 x 60 cm):

1. Die Biersteuer

Nichts läge näher, als ein Zitat aus den Grundgesetzartikeln zu »Würde« (1), »Meinungsfreiheit« (5) oder »Eigentum« (14) zu wählen: Das würde das Grundgesetz in die Nähe der großen Erklärungen der Menschheit rücken. Coronabedingt könnte noch auf »Versammlungsfreiheit« (8) oder »Freizügigkeit« (11) verwiesen werden. Tatsächlich zitieren die meisten bevorzugt oder ausschließlich aus den ersten 19 Artikeln, den Grundrechten – interessant wird es aber gerade, wenn frau weiter hinten liest: Immer kleinteiliger wird der Text und stürzt von den programmatischen Worten zu universellen menschlichen Belangen hinab in den Tartaros des Verwaltungsdeutsch. Natürlich muss auch irgendwo irgendwie geregelt werden, wer zum Beispiel »die Biersteuer« eintreiben darf – je mehr ich aber im hinteren Teil des Grundgesetzes schmökere, umso weniger mag ich es in die Hand nehmen und in der Öffentlichkeit hochhalten, um damit elementare Rechte einzufordern. Erst recht nicht (mehr), seit Verwaltungsdeutsche die ersten 19 Artikel permanent torpedieren oder aushebeln, beispielweise durch »Hartz IV«, das gleich mehrere Grundrechte (Artikel 2, 11, 12, 13 oder 14) negiert, oder durch die unbedingte Durchsetzung der kapitalistischen Ideologie (Artikel 14, 15).
Um dem Verwaltungscharakter des Grundgesetzes gerecht zu werden, hab ich als Schrift die DIN gewählt, wenn auch in einer zeitgemäßen Variante.

2. Lautverschiebung

Kann frau dem Grundgesetz typografisch einen anderen Klang verleihen? Ich habe die Vokale und Umlaute vertauscht, und siehe da: »Dar Bondastug bastallt aen Grameom zor Kintrilla dar nuchrechtandeanstlechan Tütegkaet das Bondas.«